Grisaille Tapelabel: Grau drückt das Wesentliche aus

Seit Ende 2019 veröffentlicht das Tapelabel Grisaille spannende experimentelle Musik unterschiedlichster Geschmacksrichtungen, von Drone & Ambient bis zu improvisiertem Jazz und Klangkunst. Die Releases erscheinen jeweils via Bandcamp und als wirklich schön aufgemachte Tapes. Die Ende Juli erschienene dritte Rutsche Tapes hab ich zum Anlass genommen, mich mit Tim und Julius über das Label, die dahinterstehende Idee und die kommenden Musiken zu unterhalten. Das Gespräch haben wir per Mail geführt..

H: Stellt euch kurz vor: Wer seid ihr? Was macht ihr?

J: Wir sind Julius Ménard und Tim Greifelt und kommen beide aus der westfälischen Provinz. Seit nunmehr über 20 Jahren sind wir befreundet und immer, mal mehr, mal weniger, im Kontakt geblieben. Da wir nunmal aus derselben Einöde stammen, haben wir auch eine ähnliche Sozialisierung in den 90er Jahren durchlebt. Sprich, tagsüber Inlineskaten, bzw. später Skateboard fahren und abends im lokalen Jugendzentrum das halbwegs erträgliche Konzertprogramm mitgestalten. Musikalisch kommen wir ursprünglich aus unterschiedlichen Hemisphären. Tim war dem HipHop der 90er verschrieben und bei mir war es der Punk, in dem ich meinte meine Peergroup gefunden zu haben. Irgendwann wurde uns unabhängig voneinander das Korsett zu eng und wir beschäftigen uns mit allen möglichen Genres der Musik und allen damit zusammenhängenden Bereichen. Tim promoviert derzeit und plant derzeit nach Paris zu ziehen. Ich bin „Vollzeit-Papa“ mit Job im Familienbetrieb und mache Musik.

H: Beschreibt euer künstlerisches Konzept.

J: Da wir dem subkulturellen Kontext entspringen, ist uns die DIY-Ethik sehr wichtig. Unabhängig von den vorgegebenen Strukturen versuchen wir etwas auf die Beine zu stellen, das uns selbst persönlich gefällt. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Bilder für die Inlays wider. Bei den ersten beiden Tape-Batches haben wir Fotografien von Tim ausgewählt, die unserer Meinung nach die Stimmung der des jeweiligen Tapes gut wieder geben. Es ist uns dabei auch wichtig, jede Fotografie mit den Künstler*innen abzusprechen. Beim letzten Batch haben zum Beispiel die Künstler*innen das Frontcover selbst vorgeschlagen bzw. selbst gestaltet. Wir sind da nicht festgelegt. Wichtig ist das alle damit zufrieden sind und ein rundes, harmonisches Gesamtwerk entsteht. Wir verstehen es als Selbstverständlichkeit aktiv an etwas beteiligt zu sein. Die Hebel selber zu betätigen ist manchmal hart, aber nur so können wir tun was wir für wertig empfinden.

T: Wenn ich nochmal etwas einwerfen darf: wie Julius ja schon erwähnt hatte, habe ich mich früher sehr mit der damaligen HipHop-Kultur verbunden gefühlt. Da war es meistens so, dass wenn du neue Menschen kennengelernt hast, gefragt wurde „und was machst du, Graffiti, DJing, Breakdance oder MCing?“ Ich denke, das ist bei mir auch irgendwie haften geblieben – immer aktiv an etwas mitzuwirken, mitzugestalten und nicht ausschließlich Musik und Kunst zu konsumieren.

H: Warum Tape?

J: Aus mehreren Gründen ist die Kassette das präferierte Format unserer Wahl. Da wir uns entschieden haben kein rein digitales Label zu sein, sondern uns die Wertigkeit eines handfesten Formats am Herzen liegt, ist es eigentlich alternativlos. Kleine Auflagen auf Vinyl sind heute schwer zu bezahlen und seit der Übersättigung an Vinyl seitens der großen Labels ist das Format denen überlassen die es bezahlen können.

Tim Greifelt und Julius Ménard

Seit jeher war die Kassette das interessanteste Format, welches individuell gestaltbar, robust und letztlich rentabel ist. Nebenbei sind wir nostalgische Kinder der 80er und 90er und lieben immer noch unsere Walkmans.

H: Wikipedia sagt: „Als Grisaille (französisch für Eintönigkeit, abgeleitet von französisch gris ‚grau‘) bezeichnet man eine Malerei, die ausschließlich in Grau, Weiß und Schwarz ausgeführt ist.“ Warum heißt euer Label so? Was fasziniert euch daran?

T: Ich habe immer schon sehr viel mit der Farbe grau gearbeitet, habe zum Beispiel auch Holzschnitte gemacht in schwarz und weiß, also den Grundkomponenten des Graus. Als Julius und ich überlegt haben, ein Kassettenlabel zu gründen, fiel mir ziemlich schnell der Name (grisaille, französisch für grau) ein und hab ihn vorgeschlagen. Als wir darüber sprachen sind wir zu dem Punkt gekommen, dass es nicht nur gut klingt (also vom Klang, ästhetisch gesehen), sondern auch das ausdrückt, was, wie soll ich sagen, die Philosophie hinter unserer Idee ist oder sein könnte.
Grau drückt für mich, ich glaube da spreche ich aber für uns beide, das Wesentliche aus. Grau ist eine Vermischung von schwarz und weiß, also primär gesehen von zwei Gegensätzen, wie es ja in vielen Kulturkreisen so gesehen wird. Also eine Art Amalgamierung und schließt dadurch eigentlich nichts aus, es vereint und das wollen wir ja auch. Puh – klingt ziemlich hochgegriffen aber im Prinzip ist es das. Auf der anderen Seite kann Mensch jede andere Farbe in grau mischen und blaugrau, grüngrau und so weiter entsteht und ist dadurch beliebig erweiterbar. Wie letztendlich auch die Musik mit der wir uns beschäftigen und die Menschen, die Musiker*innen und die die es wiederum aufnehmen. Wir wollen auch, wie das grau, beliebig erweiterbar sein. Bei dieser Betrachtungsweise, finde ich, wirkt grau doch gar nicht mehr so trist?!

H: Nerdtalk: Wie produziert ihr eure Tapes?

J: Ein Thema welches uns sehr beschäftigt. Wir dubben die Tapes selber, alles andere führt zu hohen Verkaufspreisen und vor allem zu viel zu langen Lieferzeit, da die Kassette ja nun auch nicht mehr ganz so unmodern ist. Ich dubbe alles über ein 3-Kopf-Tapedeck von Kenwood. Tim verwendet ein Pioneer CT-W208R. Soundtechnisch ist das wirklich gut, nur können wir alles nur jeweils 1:1 dubben. Dass nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, was für mich kein Problem ist, da ich den ganzen Tag zu Hause bin. Tim macht dann ganz gerne mal Nachtschichten. Eigentlich läuft das parallel zum Alltag meist mit. Ich habe dann die Veröffentlichungenen im Schnitt 20-50 mal mitgehört. Meiner Erfahrung nach wächst mir so jedes Release sehr ans Herz. Beim jeden Hördurchgang fallen mir neue Nuancen auf und manche erkenne ich erst nach dem zehnten Durchlauf. Die Cover werden gestaltet und mit dem Risographen gedruckt von sehr guten Freunden Hendrik und Julian Klein aka superkolor. Zu guter letzt wird meist abends gefalzt, gefaltet, Download-Codes ausgeschnitten und Sachen verschickt.

H: Wie wählt ihr eure Artists/Releases aus?

J: Ich bin es der Künstler*innen auf- und aussucht und kontaktiere. Mein Hintergedanke für das Label ist es, eine Platform zu haben, um meine eigene Musik auf Tape zu veröffentlichen. Mir geht es aber vor allem darum, mit Menschen in Kontakt zu kommen und dass klappt hiermit ausgezeichnet. Musiker*innen die mir gefallen und ich schon sehr lange verfolge schreibe ich an und nehme direkt Kontakt auf mit der expliziten Frage, ob wir ein Tape veröffentlichen können. Beim ersten Batch waren es hauptsächlich noch Freunde und Bekannte (Jeans Beast, Chemiefaserwerk, Emerge und Anja Kreysing). Ich bewundere jede/n einzelne/n Künstler*in und bin unfassbar froh mit denen zusammen arbeiten zu dürfen. Ich notiere mir beim Stöbern immer Namen und habe mittlerweile eine lange Liste von Menschen, die ich anschreiben werde.

H: Was kommt als nächstes?

J: Es stehen schon ein Dutzend Tapes fest. Das nächste Batch erscheint am 15. September und beinhaltet Modelbau, Ted Byrnes, Jon Mueller und wieder eins von mir. Danach kommen noch zwei Batches in diesem Jahr.

Etwas, das uns beschäftigt ist, dass wir zukünftig unseren Roster etwas diverser gestalten möchten. Beispielsweise haben wir bei den bisherigen Veröffentlichungen erst eine Frau dabei. Wir möchten mit Grisaille einen Raum schaffen, in dem Diversität möglich ist. Unserer Erfahrung nach besteht nach wie vor ein unausgewogenes Verhältnis und eine Überrepresentation des männlichen Geschlechts im Bereich experimenteller Musik. Wir hoffen, mit dem Label zukünftig einen Beitrag zu leisten, dies zu durchbrechen.

H: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Neben dem Label Grisaille betreiben Tim und Julius den Instagram-Account @the_record_of_the_week, in dem sie regelmäßig Platten vorstellen. Auch hier lohnt sich ein Blick!


Links:
https://grisaille.bandcamp.com
https://www.instagram.com/gr1saille
https://www.instagram.com/juliusmenard
https://www.instagram.com/the_record_of_the_week
https://superkolor.de

Diskografie:
GRISAILLE-01 Julius Ménard – Volta
GRISAILLE-02 Jeans Beast – Dans Le Village D’Or
GRISAILLE-03 Chemiefaserwerk – New Nacht Pop
GRISAILLE-04 Stadlmeier* / Kreysing* / EMERGE – Stadlmeier / Kreysing / EMERGE 
GRISAILLE-05 Nils Quak – Kamingespräche
GRISAILLE-06 Jeph Jerman – Albuquerque
GRISAILLE-07 Aidan Baker – Strung
GRISAILLE-08 Doc Wör Mirran – Kraut Mask Replica
GRISAILLE-09 Francisco López – 1983
GRISAILLE-10 Julius Ménard – L’Enfer C’est Moi

I manage my fantasy baseball team better than I manage my anger these days

Vor genau 20 Jahren erschien das hervorragende Album “Left & Leaving” der großartigen Weakerthans. Immer noch eine meiner Lieblingsplatten und immer noch ein Beleg für die (auch von mir vertretene) These, dass John K. Samson einfach einer der besten Geschichtenerzähler ist!

Gestern erschien mit “Fantasy Baseball At The End Of The World” ein neuer Song von John K. Samson.

Hoffentlich ist das ein Vorbote auf ein neues Album – das würde 2020 auf jeden Fall ein Stückchen rausreißen.

Old Amica – Drone and Hum

We’re a two-man band from Sweden called Old Amica and we (usually) make music with the help of the internet since we’re separated by 649km. Our music has been described as a kind of dreamy lo-fi pop..

https://www.facebook.com/pg/oldamica/about/

Old Amica haben im Dezember 2019 Drone and Hum beim Dinslakener Indielabel Oscarson veröffentlicht. Ein tolles Album voller verspulter Indie-Dream-Pop-Tracks.

Old Amica: Website | Bandcamp | Facebook
Oscarson: Website | Facebook

In Gefahr! Alle! Immer!

Anlässlich der Einstellung der Verkehrsnachrichten im Deutschlandfunk hat Deutschlandfunk Kultur just eine schöne Klangcollage von Carsten Schneider veröffentlicht, die uns die geballten Gefahren eines Jahres um die Ohren haut.

Carsten Schneider hat übrigens auch noch andere spannende Stücke gebaut, in denen er den Deutschlandfunk zerlegt und neu zusammensetzt.

Ich verehre den Deutschlandfunk – ich dekonstruiere den Deutschlandfunk. Systematisch und nach strengen Kriterien wird das Sendematerial einzelner Tage, Wochen, Monate und ganzer Jahre erst gesammelt und dann kurz- und kleingeschnitten. Dabei steht jeweils ein Aspekt im Fokus: der Atem, die S-Laute, die Zahlen …

https://www.carstenschneider-kunst.de/dekonstruktion-des-deutschlandfunks

Es lohnt sich, da mal reinzuhören.

Hold me closer, unknown dancer – Kopfhörermusik 2019

Auch 2019 möchte ich euch zum Jahresabschluss wieder ein Reihe toller Platten ans Herz legen. Keine Bestenliste oder so. Einfach Platten, die für mich dieses Jahr wichtig waren und die ich viel gehört habe. Fast alles davon funktioniert für mich am besten im Kopfhörer und natürlich nicht im Shufflemode..

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Moss Covered Technology – Slow Walking
VÖ: 30.08.2019
Label: Polar Seas Recordings
Bandcamp

Ambient, so wabernd wie ein sehr langsamer zielloser Spaziergang an einem warmen Sommernachmittag. Überall blubbert, zischt und plingt es. Schichten aus Sound überlagern sich, lassen die Hörerin im Sound schweben. Toll!

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Flesh Of The Stars – Mercy
VÖ: 21.062019
Label: DIY
Bandcamp

Doom Metal aus Chicago. Klingt nach wildem Krach – das trifft’s aber nur manchmal. Flesh Of The Stars klingen auf Mercy streckenweise überraschend ruhig, melodiös, sphärisch. Der Opener “Mercy” ist ein 22 Minuten langes Epos mit Spannungsbögen über Minuten, getragenen, teils chorartigen Gesangslinien – immer wieder durchbrochen von lauten Gitarrenparts in bester Doom-Manier. Damit ist das Spielfeld für die anderen Tracks dann auch schon gut abgesteckt – tolle Platte, die am besten am Stück und mit Kopfhörern funktioniert.

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Kate Carr – Contacts
VÖ: 29.05.2019
Label: Flaming Pines
Bandcamp

Die australische Soundkünstlerin Kate Carr lebt in London und produziert seit Jahren tolle Tracks/Platten die sich im weitesten Sinne im Bereich Ambient/Fieldrecording/Klangkunst verordnen lassen. Erwähnt sei hier nur das Album I Had Myself A Nuclear Spring (auf Rivertones, 2016), auf dem sie Fieldrecordings aus dem kleinen (und von einem nahegelegenen Atomkraftwerk überschatteten) Ort Marnay-sur-Seine irgendwo in der französischen Provinz zu einer beklemmend-schönen Soundlandschaft arrangiert. Auf Contacts befasst sich Carr mit akustischen und elektronischen Übertragungen und Einstreuungen verschiedener Geschmacksrichtungen: die akustischen Outputs von Radio, Morsecode, Sonar, Bluetooth, usw. hat Carr zusammen mit Sprachsamples im Rahmen einer Liveperformance beim Radiophrenia Festival in Glasgow genutzt – die hier jetzt zum Nachhören vorliegt. Obwohl es ja thematisch um die Aufnahme von Verbindungen zwischen Menschen geht, klingt der Track irgendwie völlig lost und verzweifelt.

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65daysofstatic – Replicr
VÖ: 27.09.2019
Label: Superball Music
Website

Spätestens seit April warten alle 65kids auf das neue Album von 65daysofstatic – die Bandcamp-Subscription mit monatlichen Releases aus dem Schaffensprozess der Band hat die Erwartungen hoch gesteckt und gleichzeitig in kleinen Dosen schon mal spannenden musikalischen Output geliefert. Ende September ist Replicr dann endlich erschienen und fügt sich perfekt in den Releasemarathon ein: Postambientglitchnoiserock. Oder so. 65daysofstatic sind jedenfalls mehr denn je davon entfernt, lahmen Laut-Leise-Postrock zu machen. Toll!

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Iain Chambers – The Eccentric Press
VÖ: 17.05.2019
Label: Persistence Of Sound
Bandcamp

Iain Chambers ist einer der Köpfe hinter dem Langham Research Centre, deren tolles Gateshead Multi-Stores Car Park ich letztes Jahr hier schon mal hatte. Chambers hat vor kurzem das Label Persistence Of Sound gegründet, laut Website „a new independent record label celebrating musique concrète, field recordings and the interplay between these disciplines“. Das erste Release des Labels ist das vorliegende The Eccentric Press. Die beiden Tracks des Albums entstanden aus Fieldrecordings von industriellen/maschinellen Klängen, die oftmals nur als Krach wahrgenommen werden – aber im Rahmen so einer Komposition einen ganz eigenen Reiz entwickeln. Dazu kommt noch, dass viele der Sounds auf der roten Liste der bedrohten Sounds stehen müssten – sie verschwinden nach und nach aus unseren Klanglandschaften. Die Aufnahmen für den Titeltrack entstanden so etwa teilweise im LWL-Industriemuseum in Dortmund und in der Wuppertaler Schwebebahn.

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Asmus Tietchens & Frans de Waard – Oordeel
VÖ: 08.07.2019
Label: Aufabwegen
Bandcamp

Kollaboration zwischen den beiden Klangkünstlern Frans de Waard (NL) und Asmus Tietchens (Hamburg). Die elf Tracks des Album führen die Hörerin in eine bizarr-schöne Welt aus Bleeps, Klonks, Drones – undefinierbaren Sounds und Artefakten.

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Kokomo – Totem Youth
VÖ: 15.11.2019
Label: Dunk!Records, I.Corrupt.Records and A Thousand Arms
Bandcamp

Totem Youth ist das fünfte Album des Postrock-Quintetts aus Duisburg. Düsterer als je zuvor und einfach toll! Kokomo sind für mich aus der deutschen Postrocklandschaft nicht mehr wegzudenken.

Kokomo – Totem Youth

Am heutigen 15.11. ist das neue Album von Kokomo erschienen: Totem Youth. Auf ihrem inzwischen fünften Album klingt das Quintett aus Duisburg noch ein bisschen düsterer als auf dem Vorgänger Monochrome Noise Love. Das Album schwankt zwischen ambientartigen Passagen und lauten Gitarrenwänden – fast schon doomig wird’s an der einen oder anderen Stelle.

Die Platte ist als Co-Release bei Dunk!Records, I.Corrupt.Records and A Thousand Arms erschienen und kommt als 180g Vinyl in zwei farbigen Varianten: turquoise with black marble oder milky clear. Sehen beide toll aus und klingen auch super.

Unbedingt Hör- und Kaufempfehlung – tolle Platte, die einmal mehr zeigt, dass Kokomo auch im internationalen Szenevergleich locker mitspielen können.

Links:
Bandcamp (digital)
Bigcartel (Vinyl + CD)

65 new ways of connecting with people

65daysofstatic sind schon lange eine wichtige Band im Postrockkosmos (zumindest in meiner Blase). Sie haben über die Jahre diverse Alben und EPs veröffentlicht, die “klassischen”, gitarrenlastigen Postrock mit IDM-Glitch-Breakbeat-Electronic-Gefrickel verbunden haben. Experimentelle Musik von einer stetig experimentierenden Band. Ziemlich toll und auf jeden Fall eine Empfehlung wert.

Nun geht es weiter mit den Experimenten. Heute haben 65dos angekündigt, dass im Herbst ein neues Album erscheinen wird. Ganz normal als Platte mit Label und allem Klimbim. Vorher aber – und zwar ab sofort – startet mit Unreleased/Unreleasable Vol.4 – A Year of Wreckage ein Subscription-Service, der uns ein Jahr lang regelmäßig neues Material verspricht.

U/U Vol. 4 liefert laut Band von Mai 2019 bis April 2020 den Kontext rund um die neue Platte – “It’s not filler, it’s the good stuff”. Das monatlich erscheinende Material ist in den letzten Jahren entstanden, teils als Musik, die den Rahmen des kommenden Albums gesprengt hätte, teils als Produkt diverser Experimente, z.B. mit algorithmischer Musikproduktion.

Die Subscription ist ab sofort für 30 britische Pfund klickbar unter http://65daysofstatic.bandcamp.com/subscribe
Als erstes Release kommt die Kazimir EP am 01. Mai 2019.


Und als wäre es mit den Experimenten noch nicht genug, hat die Band just ihren eigenen Podcast Bleak Strategies gestartet.


Die Band schreibt dazu:

Bleak Strategies is not music. It’s another effort to find new ways of existing as a band in the current, confused moment and so far is mostly us talking about the possibly interesting, often stupid reality of being in 65daysofstatic. FEEDBACK for this project is essential, so if you listen please let us know what you’d like to hear in future episodes and if you have other questions.

65daysofstatic im Newsletter vom 23.04.2019

Bleak Strategies gibt’s z.B. hier:
Apple Podcasts
Soundcloud
oder im Podcastclient deiner Wahl..

Ich finde den Ansatz sehr spannend, als Band mittels eines Podcasts einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen und den Musikern quasi beim laut Denken zuzuhören. Wenn es dann auch noch klappt, Feedback von Hörer*innen aufzunehmen, eröffnet sich ein neuer Kanal, der jenseits von Facebook-Hauptsache-Likes-Content vielleicht wirklich neue Perspektiven auf die und aus der Band ermöglicht.

Vielleicht ist der Ansatz mit selbstkontrollierten Kanälen wie eben einem Subscription-Service über Bandcamp und einem Podcast auch eine vielversprechende Strategie in Sachen kreativer Autonomie. So kann eine Band auch neben einem Plattenvertrag (über den dann die regulären Alben erscheinen können) und irgendwelchen Management/Booking-Agenturen direkt und ungefiltert mit den Fans kommunizieren und Musik veröffentlichen, wann immer der Bedarf dafür besteht. Für eine Band wie 65daysofstatic, die schon seit Jahren über die normale Bandkonstellation hinaus aktiv sind und neue Wege erproben, Musik zu machen, zu spielen und zu veröffentlichen, scheint das unerlässlich – für alle anderen Bands eröffnet dies m.E. zumindest eine gewinnbringende Perspektive.

Tuba|Doom|Drone

Foto: ORE (http://www.oretubadoom.com)

Eine Tuba weckt bei mir immer noch vor allem Assoziationen mit irgendwelchen Blaskapellen, die im Schützenfestmodus durch Dörfer marodieren und seltsame Musik mit seltsamen Bräuchen verbinden. Quasi the dark side of tuba.

Kürzlich bin ich glücklicherweise über the really dark side of tuba gestolpert. ORE nämlich, ein Projekt von dem britischen Tubisten Sam Underwood, der mit der Tuba in düstere Doomwelten hinabsteigt und mit “Belatedly” ein richtig tolle Platte gemacht hat.

Die Drones, die Underwood hier (mit Support durch weitere Musiker*innen mit u.a. Posaune, Kontrafagott und Baritonhorn) erzeugt, lassen unwillkürlich an sehr langsam durch Raum und Zeit gleitende, gigantische schwarze Raumschiffe denken. Die Platte könnte ohne weiteres auch Soundtrack für einen dystopischen Science Fiction-Film sein. Gleichzeitig schälen sich Hoffnung machende Melodien aus den Tracks, die der Hörerin mitgeben: Die Tuba ist nicht verloren an die Schützenvereine – sondern ein spannendes Instrument mit faszinierenden Möglichkeiten.

Unbedingte Hör- und Kaufempfehlung!
Gibt es digital direkt bei ORE auf Bandcamp und als Vinyl bei Box Records.

>> Website
>> Bandcamp