Gute Platten 2024

Richtung Jahreswechsel erscheinen ja allerorten Jahresbestenlisten, die tollsten Platten überhaupt seit Erfindung des Jahres 2024, die 12 besten Songs von gestern in neuer Pressung und so Zeugs. Früher hab ich mir ganz schön viele von solchen Listen reingezogen. Heute nicht mehr. Mich interessiert nicht, welche Platten bei Spotify am meisten gestreamt wurden, was der Leserpoll der Bravo oder der MINT ergeben hat und was die Musikindustrie als Bestseller anpreist. Die einzigen Listen, die ich mir noch angucke sind welche von Freund*innen und von wenigen Musikmenschen. So richtig ernst nehmen kann ich sowieso nur Listen, die keine Rangfolge haben. Wer behauptet, dass das eine Album das allerbeste überhaupt ist in einem Jahr, ist vielleicht zu sehr auf einen Bereich festgelegt, oder? Ich kann mich jedenfalls nicht festlegen, da ich Musik aus ganz unterschiedlichen Bereichen höre und eine Jazzplatte nicht mit einer Doomplatte oder irgendwas Elektronischem konkurriert – für mich jedenfalls.

Hier eine Reihe tolle Releases, die in diesem Jahr erschienen sind (oder schon früher, mich aber in diesem Jahr sehr beschäftigt haben). Ich schreib zu jeder Platte ein paar Stichpunkte zur Orientierung – am besten aber einfach hören, ich kann alle Platten sehr empfehlen.

Godspeed You! Black Emperor – “NO​ ​TITLE AS OF 13 FEBRUARY 2024 28​,​340 DEAD”

Endlich ein neues Album von GY!BE – einer der für mich wichtigesten Postrock-Bands. Tolle Platte mit sperrigem Titel. Freu mich schon darauf, sie damit irgendwann live zu sehen. GY!BE sind live sowieso ein Erlebnis.

Taylor Deupree – “Sti​.​ll”

Neubearbeitung des auch schon tollen Albums “Stil.” von 2002 von Taylor Dupree. Hier jetzt umgesetzt mit akustischen Instrumenten: Klarinette, Vibraphone, Cello, Kontrabass, Flöte, usw. Erstaunlich, wie gut die akustische Umsetzung der elektronischen Produktion hier gelingt und wie anders die Tracks klingen. Toll!

Motorpsycho – Neigh!!

Motorpsycho sind eine meine Lieblingsbands. Das letzte Album “Yay!” (2023) fand ich allerdings etwas schwächer, als die davor. Die Band verändert sich stilistisch aber auch sowieso immer wieder, deswegen ist ein direkter Vergleich von Album zu Album nicht bedingt sinnvoll. Für “Neigh!!” wiederrum ergibt ein Bezug zu “Yay!” auf jeden Fall Sinn – vieles davon ist in den gleichen Sessions entstanden. Ich finde das aktuelle Album etwas besser, es erinnert mich an frühe Motorpsycho-Zeiten, bevor die Band eine Zeit lang ziemlich “heavy” wurde. Hier sind sie wieder ziemlich poppig unterwegs. Irritierend finde ich den Song “Crownee Says”. Sind Corona-Songs 2024 noch passend? Waren sie das je?

Die Vinylpressung des Albums klingt übrigens nicht ganz sauber. Ich las auch von mehreren Leuten, dass sie teils sogar deutliche Soundprobleme damit hatten. Es scheint ein bisschen so, als wenn Motorpsycho mit ihrer Presswerkwahl nicht unbedingt Glück hatten. Seit diesem Jahr macht die Band alles selbst mit ihrem eigenen Label Det Nordenfjeldske Grammofonselskab, vorher lief Produktion und Vertrieb über Stickman Records. Ob sie sich mit dem Weggang von dort einen Gefallen getan haben, wird die Zeit zeigen.

Svaneborg Kardyb – Superkilen

Nikolaj Svaneborg (Wurlitzer, Juno, Piano) und Jonas Kardyb (Drums) aus Dänemark unterwegs irgendwo zwischen Electronic, Jazz, Dub, Neo-Klassik und Pop. Fließend, spannend, entspannt.

Old Amica – För alltid

Old Amica aus Schweden hab ich vor 10 Jahren mit ihrem Album “Drone and Hum” entdeckt. Alle Releases seitdem fand ich gut, 2024 erschien neben der EP “Debris Sides” auch das neue Album “För alltid”. Zunächst nur digital, weil es Lieferprobleme bei den Tapes gab. Die Band hat dann den Käufer*innen des digitalen Albums tollerweise noch angeboten, ein Tape zu schicken. Und es ist wirklich sehr schön geworden.

The Slow Music Movement schreibt dazu: “Radio waves charge the air; drones abound as voices, field recordings & instruments come and go as they please; organs and the spirits of classical composers haunt the soundscapes making it a generally stately affair, but a couple of tracks have an almost (rather welcome) lullaby feel to them and there’s even some zero gravity dream pop floating around.” Damit ist eigentlich alles gesagt. Empfehlung!

Glacier – A Distant, Violent Shudder

Glacier aus Boston hab ich dieses Jahr erst entdeckt. Finde das Album super. Post-Metal-Doom-Rock-Dings. Ist auch egal. Hauptsache laut.

Kate Carr – Midsummer, London

Kate Carr ist seit vielen Jahren im Bereich Sound Art unterwegs – Fieldrecordings und allerlei Experimentelles. 2024 hat sie unter anderem “Midsummer, London” veröffentlicht und schreibt dazu:

“Midsummer, London was composed with recordings taken on the Summer Solstice June 21, 2023, as I attempted to journey from one side of the city to the other along the Thames on this longest of days. The journey began in Loughborough Junction with stops at Clapham Junction, Staines, Shepperton, Hampton, Twickenham, Ravenscourt Park, Blackfriars, Deptford, Woolwich Dockyard and Slade Green.”

Hot Water Music & Quicksand – Split

Zwei Legenden veröffentlichen zusammen eine Split-EP. Gutes Ding. Hot Water Music und Quicksand jeweils mit einer neuen Single und einem Cover der jeweils anderen Band. Hervorheben möchte ich vor allem “Free Radio Gainesville” in der Version von Quicksand..

Four Tet – Three

Kieran Hebden in Hochform. Er hat über die letzten Jahre kontinuierlich gute Platten vorgelegt. “Three” greift verschiedene Facetten wieder auf – mal schwebende Ambient-Electronica, mal fast clubtaugliche Tracks.

Keith Jarrett, Gary Peacock & Paul Motian – The Old Country (Live at the Deer Head Inn)

Das Album steht stellvertretend für vieles von Keith Jarrett, was ich in diesem Jahr gehört habe. Ich habe die Jarrett-Biographie von Wolfgang Sandner gelesen (erschienen 2015 bei Rowohlt) und mich kreuz und quer durch seine Diskographie gehört. Wahnsinn, was Keith Jarrett alles veröffentlicht hat. Seine Solo-Piano-Konzerte sind legendär – noch besser finde ich aber seine Trio-Aufnahmen. Das hier genannte Album ist quasi der zweite Teil der Aufzeichnung eines Gigs im Deer Head Inn, in dem Jarrett schon als junger Musiker aufgetreten ist und dann mit Gary Peacock am Bass und Paul Motian an den Drums nochmal für ein Konzert zugesagt hat. Erschienen bei ECM Records.

Leider gibt es das Album nicht auf Bandcamp, deswegen hier mal ein Link zu Spotify:


Wenn du magst, schreib mir gerne hier oder auf anderen Kanälen deine Empfehlungen aus 2024. Danke.

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