Warum Bandcontests ein Problem sind

Bandcontests. Wer selbst Musik macht oder Musikerfreunde hat oder sich auch nur für Konzerte mit lokalen/regionalen Bands interessiert wird früher oder später mit Bandcontests in ihren verschiedenen Ausprägungen konfrontiert.[1]

Bandcontests gibt es unterschiedlichen Varianten. Die einfachste: Eine Reihe wie auch immer ausgewählter Bands spielt ein gemeinsames Konzert und je nach Zustimmung (Applaus+Gebrüll) aus dem Publikum gewinnt eine davon. Komplexere Varianten sehen Juryentscheidungen, Onlinevotings, geheime Publikumsabstimmungen, Expertenmeinungen oder beliebige Kombinationen aus all diesen Möglichkeiten vor. Was allen Contests bleibt: Es gibt eine Gewinnerband, manchmal auch noch zweite und dritte Plätze, aber irgendwer gewinnt immer irgendetwas.

Warum das problematisch ist? Zunächst, weil Bewertungsverfahren bei Contests nie fair ablaufen. Sobald zum Beispiel in irgendeiner Form das Publikum „abstimmen“ darf, gewinnt mit großer Wahrscheinlichkeit die Band, die die meisten Fans und Freunde zum Konzertbesuch motivieren kann. Also in der Regel eine Band aus dem Ort, wo das Konzert stattfindet. Auswärtige Bands sind also – obwohl oftmals sicher musikalisch und von der Darbietung nicht schlechter – von Vornherein benachteiligt. Natürlich kann man an dieser Stelle argumentieren, dass musikalische Qualität überzeugt, die Erfahrung zeigt aber, dass „friends&family“ hier ein viel stärkerer Einflussfaktor sind und nur in absoluten Ausnahmefällen die Besucher gegen „ihre“ Band stimmen. Gleiche Effekte treten auch bei allen Juryentscheidungen auf: Auch diese bewertet (natürlich) subjektiv, wodurch abwegigere Musikrichtungen und Showkonzepte tendenziell schlechtere Karten haben. Alles in allem ist eine objektive Bewertung der Show einer jungen Band kaum sinnvoll möglich und sei es, weil sich der Gitarrist der zweiten Band im Catering vorgedrängelt hat und für das Jurymitglied dann kein Kaffee mehr in der Kanne war.

Über das Bewertungsdilemma hinaus geht die Frage, wie authentisch eine Band auftritt, wenn sie weiß, dass die Show von Publikum oder Jury bewertet wird. Die Erfahrung zeigt, dass Musiker/innen in so einer „Prüfungssituation“ teils stark unter Druck stehen, worunter die Darbietungsqualität sehr leiden kann. Außerdem verhalten sich die Bandmitglieder angepasster, zum Beispiel gegenüber Veranstaltern und Jurymitgliedern. Dies führt wieder zu Schwierigkeiten, wenn es beispielsweise darum geht, die Band als Gesamtpaket zu bewerten (also auch über die eigentliche Show hinaus).

Problematisch ist auch, dass eine Band (zumindest bei professionell organisierten Contests) häufig mindestens nicht-exklusive Verwertungsrechte an die Veranstalter/innen abtreten müssen. Und das in der Regel zeitlich unbegrenzt und mit irgendwelchen Zusatzklauseln: Beispielsweise darf die Band den eingereichten Song nicht anderweitig nutzen, z.B. für eigene Werbemaßnahmen im Lokalradio. Oder gar: Die Veranstalter/innen dürfen die Verwertungsrechte uneingeschränkt an „Partner“ weitergeben, also z.B. an Sponsoren für deren Werbemaßnahmen. Natürlich ist es sinnvoll, die Nutzung von Material rechtlich zu regeln, aber dies sollte doch keinesfalls zu Lasten derjenigen gehen, um die es bei dem ganzen Contestding doch eigentlich geht: Die Bands.

Ein weiteres zentrales Problem an Contests ist, dass sie die Konkurrenz zwischen Bands befeuern. Zweifellos steht eine Band, die ambitioniert zu Werke geht, aber sowieso in einem hohen Konkurrenzdruck: Bühnenshow und Sound sollen unbedingt besser sein, als die der anderen Wasauchimmer-Band, die drei Räume weiter im gleichen Proberaumzentrum probt. Booker wollen überzeugt werden, warum ausgerechnet diese Band aus der Masse hervorsticht und gebucht werden sollte. Die Onlinepräsenz muss mehr Klicks generieren, als bei der Wasauchimmer-Band usw. Allerspätestens, wenn es darum geht, mit Musik die Miete zu verdienen, ist klar, dass es sich um ein Geschäft mit großer Konkurrenz handelt.

Was die Musikszene[2] sicher nicht braucht: Noch mehr (künstlich geschaffene) Konkurrenz! 

Im Gegenteil: Kooperation und gegenseitige Unterstützung ist gefragt. Band X profitiert in jedem Fall mehr von einem aktiven Konzertaustausch mit anderen Bands, als von einem Contest, bei dem sie Kinogutscheine oder 200€ für den nächsten Einkauf im Musikhaus (oder, wenn es mal etwas größer wird: einen Studioaufenthalt) gewinnen. Natürlich bringen auch diese Preise gerade sehr jungen Bands etwas, langfristig ist aber die Vernetzung von Bands und das gemeinsame Auftreten erfolgversprechender. Insbesondere, da realistisch betrachtet der allergrößte Teil der jungen Bands aus dem Feld der populären Musik sowieso niemals rockstarmäßig in Stadien spielen wird, sondern eher auf kleinerem Level aktiv bleibt. Hier zählt dann – neben dem Zusammenspiel mit der Band an sich – vor allem, live zu spielen. Gerne häufig, vor Publikum, dass da ist, um die Band(s) zu hören, mit gutem Sound und anderen Bands, mit denen man sich gut versteht.

Eine spannende Frage bleibt allen Contests gemein: Warum glaubt eigentlich jede/r, die/der einen Contest veranstaltet, dass genau ihr/sein Format das richtige und gerade ganz aktuell wegweisende Modell ist? Liest man die Selbstbeschreibungen, darf man zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet dieser Contest jetzt das einzig Wahre ist. Mit der einzig wahren Expertenjury, die diesmal wirklichdie allerbestevon allen Nachwuchsbands findet und auszeichnet.

Eigentlich erstaunlich, dass der Output an wegweisenden und erfolgreichen Bands aus dem Münsterland, NRW, Deutschland nicht an den von musikfreundlichen Nationen (wie z.B. Schweden) heranreicht, wo doch hier ständig die Besten der Besten auserkoren und mit total hilfreichen Preisen bedacht werden.

Fazit: Bandcontests abschaffen! 

Ja, dieser Text ist polemisch und unreflektiert. Aber im Wesentlichen bleibt: Wenn ihr junge Bands unterstützen wollt, geht auf ihre Konzerte, kauft ihre Platten und erzählt euren Freunden davon.

Und sowieso:

Geht mehr auf Konzerte!

Update: Kommentare sind hier natürlich gern gesehen! Wie steht ihr zum Thema Bandcontests?


[1] Dieser Text ist auf Basis von Erfahrungen und Diskussionen im Rahmen der Initiative muensterbandnetz.de entstanden. Vielen Dank an das tolle Team!
[2] Natürlich gibt es nicht „die“ Musikszene, gemeint sind hier alle Szenen, die im weitesten Sinne dem Bereich der populären Musik zuzuordnen sind.

Proberaumstudie: Die infrastrukturellen Rahmenbedingungen der Musikszene in Münster

2013/2014 war ich als Teil des Teams von muensterbandnetz.de an der Erstellung einer Studie zu den infrastrukturellen Rahmenbedingungen der Musikszene in Münster beteiligt. Dabei wurde vor allem die Proberaumsituation in der Stadt in den Blick genommen, aber auch Auftritts- und Fördermöglichkeiten. Die Erhebung wurde vom mbn in Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Münster durchgeführt.

Hier ist der Bericht als PDF zu finden: Download.