Heute startet das Experiment Newsletter. Es gibt ja schon länger einen kleinen Telegram-Kanal, über den ich immer mal wieder kleine News an eine Teilmenge Menschen geschickt habe. Nun nervt mich Telegram inzwischen ein bisschen und macht mir ein komisches Gefühl angesichts der vielen Verschwörungsspinner*innen, die ebenfalls den Dienst nutzen. Dazu kommt, dass ich in den letzten Monaten den klassischen Mailnewsletter für mich wiederentdeckt habe. Individuell kuratierte und persönlich geschriebene Nachrichten, die direkt in meiner Inbox landen? Von supernerdigen Spezialthemen bis zu persönlichen Bewertungen der Weltlage? Find ich irgendwie gut. Möchte ich auch ausprobieren.
Alles in allem: expect heavy delays hat ab heute auch einen Mailnewsletter. Oder vielmehr: Ihr könnt euch ab heute in die Liste eintragen und dann kommt ganz bald bestimmt die erste Ausgabe.
Es wird sicher kein regelmäßig erscheinendes Format werden. Eher so nach Bedarf und Laune. Also nicht 3x/Woche copypaste aus irgendwelchen Pressemitteilungen.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mal reinschaut. Und falls ihr Anregungen, Kritik, Themeninput habt: Immer her damit!
Die BBC hat schon vor einigen Jahren eine umfangreiche Bibliothek mit über 33.000 Soundclips unterschiedlichster Geschmacksrichtungen online gestellt. Das Archiv ist kostenfrei nutzbar für persönliche Verwendung, sowie für Forschungs- oder Unterrichtszwecke. Für kommerzielle/berufliche Nutzungen müssen Lizenzen geklickt werden.
Unterhaltsam ist der auf der Website integrierte Soundmixer, bei dem man eine kleine Soundscapes aus unterschiedlichen Clips bauen kann – super zum ausprobieren, ob Sounds zueinander passen. Praktischerweise können die Clips dort auch gleich heruntergeladen werden.
Auch die NASA hat zahlreiche spannende Sounds online gestellt. Im Soundcloud-Account der Weltraumorganisation findest du neben diversen Podcastreihen auch Sounds, die in den unendlichen Weiten des Weltraums (oder so) aufgenommen wurden.
Schön ist z.B. die Playlist “Insight Lander Sounds of Mars”:
Sounds of the Forest ist ein Soundmappingprojekt und Teil des Festivals “Timber – The International Forest Festival”. Das Festival findet in Feanedock (UK) statt und wird organisiert von Wild Rumpus und The National Forest und beschäftigt sich mit Wäldern und ihren Veränderungen.
We are collecting the sounds of woodlands and forests from all around the world, creating a growing soundmap bringing together aural tones and textures from the world’s woodlands.
The sounds form an open source library, to be used by anyone to listen to and create from. Selected artists will be responding to the sounds that are gathered, creating music, audio, artwork or something else incredible, to be presented at Timber Festival 2021.
Auf der Soundmap sammelt das Projekt Soundsamples aus Wäldern auf der ganzen Welt. Diese dienen dann als Material für Projekte von verschiedenen Künstler*innen, die dann wiederum auf dem Timber-Festival präsentiert werden.
Zur Soundmap beitragen kann jede*r – einfach Sounds im Wald eurer Wahl aufnehmen und hochladen. Alle Infos findet ihr auf der Website zum Projekt.
Das Duo Divide and Dissolve hat just sein drittes Album Gas Lit veröffentlicht.
Takiaya Reed (Saxophon, Gitarre, Liveeffekte) und Sylvie Nehill (Drums, Liveeffekte) kommen aus Melbourne und bewegen sich musikalisch irgendwo zwischen A Silver Mt. Zion und Sunn O))).
Das Album beginnt mit sphärischen Sounds, die von einer doomigen Wand aus schweren Gitarren und Drums abgelöst werden. Damit ist das musikalische Spektrum der Platte schon grob skizziert – ohne dass es im weiteren Verlauf je langweilig wird. Bemerkenswert ist, dass es der Band gelingt, gleichzeitig tonnenschwer und trotzdem irgendwie schwebend zu klingen. Anders als bei beispielsweise Sunn O))) habe ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mich die Musik erschlägt. Bis auf einige Spoken Word-Schnipsel bleibt das Album instrumental, trotzdem gelingt es der Musik durchaus, die Message der Band zu transportieren. Dazu schreiben sie auf Bandcamp:
Gas Lit is our fight for Indigenous Sovereignty, Black and Indigenous Liberation, Water, Earth, and Indigenous land given back. Gas Lit is fighting against the dispossession of our people, land, water, and spirit. Gas Lit is a call to transformation and freedom. Gas Lit seeks to make a contribution to undermining and destroying the white supremacist colonial framework.
Ich hoffe, dass ich irgendwann die Gelegenheit haben werde, Divide and Dissolve live zu sehen – wenn es der Band gelingt, den mächtigen Sound der Platte auf die Bühne zu bringen, dürfte das ein sehr guter Abend werden.
Erschienen digital bei Bandcamp, sowie als Vinyl und CD bei Invada Records.
The Outlaw Ocean Music Project ist ein Projekt an der Schnittstelle von Journalismus und (experimenteller) Musik.
Das ganze Projekt basiert auf dem Buch The Outlaw Ocean von Ian Urbina, der als Investigativreporter unter anderem für die New York Times gearbeitet hat. Urbina hat sich jahrelang mit unterschiedlichen Formen von Gesetzlosigkeit und Vergehen auf den Meeren der Welt beschäftigt und dabei auch ein umfangreiches Archiv an Fieldrecordings aufgebaut.
Zahlreiche Musiker*innen aus aller Welt haben sich der Soundschnipsel angenommen und Musik damit gebaut. Von Ambient über Electronica bis HipHop und Neoklassik sind zahlreiche (inzwischen weit über 200!) spannende Releases entstanden, die digital verfügbar sind. Urbina sieht das Projekt als eine Form von alternativem Storytelling – das trifft die Sache ziemlich gut.
Besonders hervorheben möchte ich die tolle EP Albatross von Robot Koch, die ihr hier auf Bandcamp findet:
Hier noch ein Video, in dem Ian Urbina selbst das Projekt erläutert:
The Notwist haben heute ein neues Album veröffentlicht. Vertigo Days ist das erste Album seit sechs Jahren und erschienen bei Morr Music als (dreiseitig bespieltes) Doppelvinyl in olivgrün, clear und schwarz, als CD und digital.
Die vorab veröffentlichten Singles waren schon sehr vielversprechend und in seiner Gesamtheit ist Vertigo Days ein richtig gutes Album geworden. Was freu ich mich darauf, The Notwist irgendwann wieder live zu sehen!
Anspieltipps ergeben nur bedingt Sinn. Am besten funktioniert das Album am Stück und mit Kopfhörer – ein elektronisch-krautiger Trip – toll!
Ein Teil der hervorragenden Band RADARE macht als AUA einen Ausflug in andere musikalische Gefilde: Knietief im Krautrock verziert mit spacigen Synths, Surfgitarren und mit insgesamt shoegaziger Postpunk-Grundfärbung. Tolle Platte! Und hoffentlich nicht nur ein einmaliger Ausflug.
Mogwai haben für den 19. Februar 2021 ihre neues Album “As The Love Continues” angekündigt. Vor ein paar Tagen ist mit “Dry Fantasy” die erste Single erschienen – ein toller Track mit cinematischen Qualitäten.
Das Pop-Kultur-Festival kann dieses Jahr – wie leider so viele Festivals – nur online stattfinden. Vom 26.-28. August 2020 gibt es drei abendfüllende Shows mit zahlreichen Beiträgen von allen möglichen Künstler*innen und Acts. Da lohnt sich ein Blick: https://www.pop-kultur.berlin
Die einzelnen Beiträge in voller Länge sind auf YouTube zu finden. Dabei waren auch The Notwist mit einer kleinen Livesession. Sehr schöne Aufzeichnung mit super Sound und zwei neuen Songs..
Seit Ende 2019 veröffentlicht das Tapelabel Grisaille spannende experimentelle Musik unterschiedlichster Geschmacksrichtungen, von Drone & Ambient bis zu improvisiertem Jazz und Klangkunst. Die Releases erscheinen jeweils via Bandcamp und als wirklich schön aufgemachte Tapes. Die Ende Juli erschienene dritte Rutsche Tapes hab ich zum Anlass genommen, mich mit Tim und Julius über das Label, die dahinterstehende Idee und die kommenden Musiken zu unterhalten. Das Gespräch haben wir per Mail geführt..
Die Tapes Grisaille 08, 09, 10
H: Stellt euch kurz vor: Wer seid ihr? Was macht ihr?
J: Wir sind Julius Ménard und Tim Greifelt und kommen beide aus der westfälischen Provinz. Seit nunmehr über 20 Jahren sind wir befreundet und immer, mal mehr, mal weniger, im Kontakt geblieben. Da wir nunmal aus derselben Einöde stammen, haben wir auch eine ähnliche Sozialisierung in den 90er Jahren durchlebt. Sprich, tagsüber Inlineskaten, bzw. später Skateboard fahren und abends im lokalen Jugendzentrum das halbwegs erträgliche Konzertprogramm mitgestalten. Musikalisch kommen wir ursprünglich aus unterschiedlichen Hemisphären. Tim war dem HipHop der 90er verschrieben und bei mir war es der Punk, in dem ich meinte meine Peergroup gefunden zu haben. Irgendwann wurde uns unabhängig voneinander das Korsett zu eng und wir beschäftigen uns mit allen möglichen Genres der Musik und allen damit zusammenhängenden Bereichen. Tim promoviert derzeit und plant derzeit nach Paris zu ziehen. Ich bin „Vollzeit-Papa“ mit Job im Familienbetrieb und mache Musik.
H: Beschreibt euer künstlerisches Konzept.
J: Da wir dem subkulturellen Kontext entspringen, ist uns die DIY-Ethik sehr wichtig. Unabhängig von den vorgegebenen Strukturen versuchen wir etwas auf die Beine zu stellen, das uns selbst persönlich gefällt. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Bilder für die Inlays wider. Bei den ersten beiden Tape-Batches haben wir Fotografien von Tim ausgewählt, die unserer Meinung nach die Stimmung der des jeweiligen Tapes gut wieder geben. Es ist uns dabei auch wichtig, jede Fotografie mit den Künstler*innen abzusprechen. Beim letzten Batch haben zum Beispiel die Künstler*innen das Frontcover selbst vorgeschlagen bzw. selbst gestaltet. Wir sind da nicht festgelegt. Wichtig ist das alle damit zufrieden sind und ein rundes, harmonisches Gesamtwerk entsteht. Wir verstehen es als Selbstverständlichkeit aktiv an etwas beteiligt zu sein. Die Hebel selber zu betätigen ist manchmal hart, aber nur so können wir tun was wir für wertig empfinden.
T: Wenn ich nochmal etwas einwerfen darf: wie Julius ja schon erwähnt hatte, habe ich mich früher sehr mit der damaligen HipHop-Kultur verbunden gefühlt. Da war es meistens so, dass wenn du neue Menschen kennengelernt hast, gefragt wurde „und was machst du, Graffiti, DJing, Breakdance oder MCing?“ Ich denke, das ist bei mir auch irgendwie haften geblieben – immer aktiv an etwas mitzuwirken, mitzugestalten und nicht ausschließlich Musik und Kunst zu konsumieren.
H: Warum Tape?
J: Aus mehreren Gründen ist die Kassette das präferierte Format unserer Wahl. Da wir uns entschieden haben kein rein digitales Label zu sein, sondern uns die Wertigkeit eines handfesten Formats am Herzen liegt, ist es eigentlich alternativlos. Kleine Auflagen auf Vinyl sind heute schwer zu bezahlen und seit der Übersättigung an Vinyl seitens der großen Labels ist das Format denen überlassen die es bezahlen können.
Tim Greifelt und Julius Ménard
Seit jeher war die Kassette das interessanteste Format, welches individuell gestaltbar, robust und letztlich rentabel ist. Nebenbei sind wir nostalgische Kinder der 80er und 90er und lieben immer noch unsere Walkmans.
H: Wikipedia sagt: „Als Grisaille (französisch für Eintönigkeit, abgeleitet von französisch gris ‚grau‘) bezeichnet man eine Malerei, die ausschließlich in Grau, Weiß und Schwarz ausgeführt ist.“ Warum heißt euer Label so? Was fasziniert euch daran?
T: Ich habe immer schon sehr viel mit der Farbe grau gearbeitet, habe zum Beispiel auch Holzschnitte gemacht in schwarz und weiß, also den Grundkomponenten des Graus. Als Julius und ich überlegt haben, ein Kassettenlabel zu gründen, fiel mir ziemlich schnell der Name (grisaille, französisch für grau) ein und hab ihn vorgeschlagen. Als wir darüber sprachen sind wir zu dem Punkt gekommen, dass es nicht nur gut klingt (also vom Klang, ästhetisch gesehen), sondern auch das ausdrückt, was, wie soll ich sagen, die Philosophie hinter unserer Idee ist oder sein könnte. Grau drückt für mich, ich glaube da spreche ich aber für uns beide, das Wesentliche aus. Grau ist eine Vermischung von schwarz und weiß, also primär gesehen von zwei Gegensätzen, wie es ja in vielen Kulturkreisen so gesehen wird. Also eine Art Amalgamierung und schließt dadurch eigentlich nichts aus, es vereint und das wollen wir ja auch. Puh – klingt ziemlich hochgegriffen aber im Prinzip ist es das. Auf der anderen Seite kann Mensch jede andere Farbe in grau mischen und blaugrau, grüngrau und so weiter entsteht und ist dadurch beliebig erweiterbar. Wie letztendlich auch die Musik mit der wir uns beschäftigen und die Menschen, die Musiker*innen und die die es wiederum aufnehmen. Wir wollen auch, wie das grau, beliebig erweiterbar sein. Bei dieser Betrachtungsweise, finde ich, wirkt grau doch gar nicht mehr so trist?!
H: Nerdtalk: Wie produziert ihr eure Tapes?
J: Ein Thema welches uns sehr beschäftigt. Wir dubben die Tapes selber, alles andere führt zu hohen Verkaufspreisen und vor allem zu viel zu langen Lieferzeit, da die Kassette ja nun auch nicht mehr ganz so unmodern ist. Ich dubbe alles über ein 3-Kopf-Tapedeck von Kenwood. Tim verwendet ein Pioneer CT-W208R. Soundtechnisch ist das wirklich gut, nur können wir alles nur jeweils 1:1 dubben. Dass nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, was für mich kein Problem ist, da ich den ganzen Tag zu Hause bin. Tim macht dann ganz gerne mal Nachtschichten. Eigentlich läuft das parallel zum Alltag meist mit. Ich habe dann die Veröffentlichungenen im Schnitt 20-50 mal mitgehört. Meiner Erfahrung nach wächst mir so jedes Release sehr ans Herz. Beim jeden Hördurchgang fallen mir neue Nuancen auf und manche erkenne ich erst nach dem zehnten Durchlauf. Die Cover werden gestaltet und mit dem Risographen gedruckt von sehr guten Freunden Hendrik und Julian Klein aka superkolor. Zu guter letzt wird meist abends gefalzt, gefaltet, Download-Codes ausgeschnitten und Sachen verschickt.
H: Wie wählt ihr eure Artists/Releases aus?
J: Ich bin es der Künstler*innen auf- und aussucht und kontaktiere. Mein Hintergedanke für das Label ist es, eine Platform zu haben, um meine eigene Musik auf Tape zu veröffentlichen. Mir geht es aber vor allem darum, mit Menschen in Kontakt zu kommen und dass klappt hiermit ausgezeichnet. Musiker*innen die mir gefallen und ich schon sehr lange verfolge schreibe ich an und nehme direkt Kontakt auf mit der expliziten Frage, ob wir ein Tape veröffentlichen können. Beim ersten Batch waren es hauptsächlich noch Freunde und Bekannte (Jeans Beast, Chemiefaserwerk, Emerge und Anja Kreysing). Ich bewundere jede/n einzelne/n Künstler*in und bin unfassbar froh mit denen zusammen arbeiten zu dürfen. Ich notiere mir beim Stöbern immer Namen und habe mittlerweile eine lange Liste von Menschen, die ich anschreiben werde.
H: Was kommt als nächstes?
J: Es stehen schon ein Dutzend Tapes fest. Das nächste Batch erscheint am 15. September und beinhaltet Modelbau, Ted Byrnes, Jon Mueller und wieder eins von mir. Danach kommen noch zwei Batches in diesem Jahr.
Etwas, das uns beschäftigt ist, dass wir zukünftig unseren Roster etwas diverser gestalten möchten. Beispielsweise haben wir bei den bisherigen Veröffentlichungen erst eine Frau dabei. Wir möchten mit Grisaille einen Raum schaffen, in dem Diversität möglich ist. Unserer Erfahrung nach besteht nach wie vor ein unausgewogenes Verhältnis und eine Überrepresentation des männlichen Geschlechts im Bereich experimenteller Musik. Wir hoffen, mit dem Label zukünftig einen Beitrag zu leisten, dies zu durchbrechen.
H: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Neben dem Label Grisaille betreiben Tim und Julius den Instagram-Account @the_record_of_the_week, in dem sie regelmäßig Platten vorstellen. Auch hier lohnt sich ein Blick!